1544 - 1595
In Übersetzungen von
Karl Förster
(an den Richter)
Du sahst vom rauhen Seil die
Hand umstrickt,
Grausamer, die nur Liebe sollt
umschlingen,
Und Zeichen ehern neben
blassen Ringen –
Doch nicht von Küssen – ihnen eingedrückt.
Und mitleidlos hast du sie
angeblickt,
Weil Allen rings die Augen
übergingen.
Dein starres Felsenherz nicht
konnte zwingen
Der Reiz, der jedes Zürnen
hätt erstickt.
Des wilden Tigers wilde Seele,
Harter,
Hast du gezeigt bei ihrer Not
und Qual,
Ein Herz, wie das der Schlang
im heißen Sande.
Nun richte solch Gericht und
solche Marter
Amor, der Weisre wohl an
seinem Bande
Umkreist und führt und zieht
nach eigner Wahl!
Beim Tode ihres Vogels
Der Vogel, der so süße
Melodieen
In seiner Haft von dir sich
abgehöret,
Lag tot im Schoße dir, und
schön geehret
War selger Tod, dem Tränen du
verliehen.
Ich Schwan in meiner Haft (sei
es verziehen,
Wenn stolzes Wort der kühnen
Lipp entfähret!),
Ich lern und singe, was mich
Amor lehret;
Doch hat weit andres Schicksal
mein Bemühen.
Ich sterbe oft, und härter ist
die Weise;
Denn ich ersteh zu Leid, und
kann deswegen
Doch in so schönem Schoß kein
Grab erlangen;
Und Augen, die benetzt mit
vollem Regen
Ihn, der vom Indus fern
gemacht die Reise,
Sind karg mir; kann kein
Tröpflein auch empfangen.
Ich war ein armer Stamm, der
eingesogen
Aus herber Wurzel Leid und
Schmerz alleine;
Nun hat sich heilig süßer
Zweig durch seine
Ureigne Gotteskraft mir
eingebogen.
Es wallen deines Blutes fromme
Wogen
Ans Herz mir, wie zu trockenem
Gesteine,
Daß es sich netz und neue
Frucht erscheine
Des rechts, nicht Blüten bloß
und Blätterbogen.
Auch Wüste war die Seel’,
umhüllt von Wehmut;
Nun Schatten ihr dein Leib,
dein Licht ihr Sonne,
Hast du sie, Herr, zum Paradies
geschmücket,
Wo rings sie weiße Veilchen
reiner Demut,
Wo Purpurrosen frommer
Liebeswonne
Und ihrer keuschheit Lilien
sie erblicket.
An diesem heilgen Stamme, dran
das Leben
Das erste Blatt gewesen,
Frucht das Sterben,
Nimmt Sterben heut gefangen
tostlos Sterben,
Und schöner kehrt als je
zurück das Leben.
Leben, um zu beleben, läßt das
Leben
Und es verschwört sich Sterben
gegen Sterben.
Daß, wenn das Sterben stirbt,
zuletzt in Sterben
Sich Leben wandle, Sterben
sich in Leben.
Der Feind erzittert vor dem
ewgen Sterben,
Es freun sich, die im Tod
erwarten Leben,
Wenn sie belebend nahen sehn
das Sterben.
Hier liegt verblichen Jesu,
er, das Leben,
So sterbend nun zerstören will
das Sterben,
Und durch sein Sterben wecken
neues Leben.